Kirche Saalborn

Günter Widiger
Kirche Saalborn

Daten & Fakten


  • Öffnungszeiten Sommer:
    9:00 - 18:00
  • Öffnungszeiten Winter:
    9:00 - 18:00

Profil


verlässlich geöffnet - Wir führen das Signet "Verlässlich geöffnete Kirche".

Beschreibung


Kirche Saalborn
Gottesdienst feiern wir in unregelmäßigen Abständen
sonntags 10 Uhr.

Die Kirche aus dem späten 12. Jahrhundert wird durch engagierte Saalborner seit einigen Jahrzehnten Schritt für Schritt renoviert.
Dabei wurde die 2. Empore abgebaut - ebenso die Orgel, die bis dato bis unter der hölzernen Tonnendecke verschwand - sie wird z. Zt. restauriert und findet dann auf der 1. Empore ihren neuen Platz. Durch den Abbruch der 2. Empore hat die Kirche überraschend und erfreulich stark an Akkustik gewonnen.
Die Orgel wurde 1834 von Christian Adam Gerhard erbaut, 2011- 2013 von den Orgelbaumeistern Schönefeld aus Stadtilm umfassend restauriert und verfügt über 2 Manuale, Pedal und 12 Register. Ihre Wiedereinweihung wurde am Samstag, 28.09.2013 gefeiert.

Leider wurde in Vorzeiten die romanische Apsis entfernt - nur ihre Fundamentsteine zeugen hinter dem Turm von ihrer Existenz. Gerade sie wäre aber ausgesprochen attraktiv als Altarraum für das romanische Vortragekreuz aus dem Jahre ca. 1160. Es wurde mehrfach restauriert und gilt als besonders wertvolles Kleinod, das heute an unbekanntem Ort aufbewahrt wird und lediglich zu besonderen Anlässen auf dem Altar steht.

Weil es so bedeutsam ist, hier eine ausführliche Beschreibung
von Dr. Kerstin Vogel:
Verstaubt und verwahrlost wurde das Kreuz um 1890 in einem verborgenen Winkel des Turmes gefunden, als wertvoll erkannt und sorgfältig restauriert. Zunächst nahm man an, daß es ursprünglich nicht für diese Kirche, sondern für eine bedeutendere bestimmt gewesen und nur durch Zufall an diesen Ort gekommen sei. Da jedoch im 12. Jahrhundert Saalborner Güter der Kirche zu Halberstadt gegeben wurden, könnte das Kreuz somit auch als Gegengabe oder Geschenk in die bescheidene Dorfkirche gelangt sein.

Auf den ersten Blick fällt die Strenge und Schlichtheit des 42 cm hohen Kreuzes auf: Dessen Gestalt scheint sich ganz darauf zu konzentrieren, die klar umrissene Kreuzesform herauszustellen. Die Vergoldung schimmert je nach Lichteinfall in feinen Farbnuancen und verleiht so auch den leeren Flächen Lebendigkeit.
Bei näherer Betrachtung entdeckt man an der Vorderseite des Kreuzes eine umlaufende, lateinische Inschrift in deutlichen, romanischen Majuskeln, die dem leicht erhabenen Rand eingraviert sind. Dies ergibt ein Gedicht, wobei jede Seite des Kreuzes mit einer Zeile geschmückt ist. Man fängt links beim oberen Rand des Querbalkens zu lesen an; die zweite Zeile steht auf dessen unterem Rand. Bei der dritten beginnt man auf dem senkrechten Balken links oben und liest senkrecht nach unten, bei der vierten verfährt man ebenso rechts.

Es ergeben sich die folgenden lateinische Reime:

+ HUIUS OPUS SIGNI
+ VETITI REPARATIO LIGNI

+ SANCTIFICAT MUNIT
+ BEAT INSTANT EXPIAT UNIT

+ MORTIFICAT FORTEM
+ MORS MORTIS MORTUA MORTEM

+ VITA PRIOR MUNDI
+ REDIT ADE MORTE SECUNDI

In wörtlicher Übersetzung lautet der zunächst rätselhaft erscheinende Text:

+ Das Werk dieses Zeichens
+ ist die Wiederherstellung des verbotenen Holzes

+ Es heiligt, befestigt
+ beseligt, belehrt, entsühnt, einigt

+ Den starken Tod
+ macht tot der gestorbene Tod des Todes

+ Das frühere Leben der Welt
+ kehrt zurück durch den Tod des zweiten Adam

Sinngemäß ins Deutsche gereimt hingegen:

+ Dieses Zeichens Ersinnung
+ verbotenen Holzes Gewinnung

+ Heiligt, befestigt, reinigt
+ belehrt, beseligt, vereinigt

+ Nun des Gestorbenen Sterben
+ macht tot des Todes Verderben

+ Wieder der Welt hat das Leben
+ der Tod eines Adam gegeben

Die erste Zeile bezieht sich auf die Legende, daß aus dem verbotenen Baum der Erkenntnis, der durch den Sündenfall zum "Baum des Todes" geworden ist, das Holz zum Kreuz Christi gewonnen worden sei. Diesem Rückgriff auf das Alte Testament, auf die Geschichte vom ersten Menschen, der mit der Vertreibung aus dem Paradies auch mit seiner Sterblichkeit konfrontiert wurde, steht nun das Kreuz als Baum der Erlösung, als "Lebensbaum" gegenüber.

Die rätselhafte dritte Zeile setzt diesen Gedanken fort durch ein Wortspiel mit dem lateinischen "mors" für "Tod": Durch Christus Tod am Kreuz ist der "starke" Tod besiegt ("getötet") worden; Christus ist der "Tod des Todes".

Die vierte Zeile bezieht sich wieder auf die Gegenüberstellung von Adam und Christus: Durch Adam, den "alten Menschen", wurde die ganze Welt zum Tod verurteilt; durch Christus, den "neuen (oder auch zweiten) Adam", wird Adams Schuld wieder aufgehoben und die Welt zum Leben erlöst, wie Paulus im Neuen Testament schreibt:

Adam und Christus
12 Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.
13 Denn die Sünde war wohl in der Welt, ehe das Gesetz kam; aber wo kein Gesetz ist, da wird Sünde nicht angerechnet.
14 Dennoch herrschte der Tod von Adam an bis Mose auch über die, die nicht gesündigt hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild dessen, der kommen sollte.
15 Aber nicht verhält sich's mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn wenn durch die Sünde des Einen die Vielen gestorben sind, um wie viel mehr ist Gottes Gnade und Gabe den Vielen überreich zuteil geworden durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus.
16 Und nicht verhält es sich mit der Gabe wie mit dem, was durch den einen Sünder geschehen ist. Denn das Urteil hat von dem Einen her zur Verdammnis geführt, die Gnade aber hilft aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit.
17 Denn wenn wegen der Sünde des Einen der Tod geherrscht hat durch den Einen, um wie viel mehr werden die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch den Einen, Jesus Christus.
18 Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.
19 Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten.
20 Das Gesetz aber ist dazwischen hineingekommen, damit die Sünde mächtiger würde. Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden,
21 damit, wie die Sünde geherrscht hat zum Tode, so auch die Gnade herrsche durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unsern Herrn.
(Brief an die Römer 5, 12-21)

Am oberen Ende des senkrechten Balkens ist eine aus den Wolken herabreichende, mit zwei Fingern nach unten weisende Hand zu sehen, die durch die lateinische Beischrift als "Rechte des Herrn" erklärt ist.

Der Kelch am unteren Ende des Balkens sowie die drei imitierten Edelsteine sind nicht romanischen Ursprungs, sondern geschickte Nachbildungen von ca. 1890, die die verlorengegangenen, in Spuren jedoch noch erkennbaren Teile ersetzen mußten. Der Kelch verweist nochmals auf das erlösende Blut Christi.

Auf der Rückseite des Kreuzes sind jeweils an den Balkenenden die vier Evangelistensymbole eingraviert. Diese sind als die "vier geflügelten Wesen" (aus der Offenbarung des Johannes 4, 6-8) dargestellt und lassen sich folgendermaßen zuordnen:
1. Für den Evangelisten Matthäus steht der Engel
(hier am unteren Balkenende zu sehen).
2. Für Markus der Löwe (am Querbalken links).
3. Für Lukas der Stier (am Querbalken rechts).
4. Für Johannes der Adler (am oberen Balkenende).

Neben der üblichen Zuweisung zu den vier Evangelisten wurden diese vier mystischen Wesen der Offenbarung auch in einem Sinnzusammenhang mit der Heilsgeschichte der Evangelien gedeutet:

1. So ist der Mensch
(das geflügelte "Wesen mit dem Gesicht wie ein Mensch")
Abbild der Menschwerdung Christi.
2. Der Stier (als Opfertier) bedeutet den Opfertod.
3. Der Löwe (als starkes und mächtiges Tier,
das den Sieg über den Tod symbolisiert) die Auferstehung.
4. Der Adler (als Vogel, dem Schnelligkeit und Stärke eigen sind)
die Himmelfahrt.

Die Evangelistensymbole umgeben das Lamm, das als vielfach übliches Sinnbild für Christus in der Mitte, am Kreuzungspunkt angeordnet ist. Betont wird die Figur des Lammes durch den Heiligenschein mit einbeschriebenen Kreuz und durch das als Siegeszeichen hochgehaltene Kreuzsymbol, aber auch durch die gegenüber den Evangelistensymbolen leicht vergrößerte Darstellung und die doppelte Rahmung.

Die drei Tiere der Evangelisten und das Lamm stehen auf Schriftrollen. So wird einerseits auf die Evangelisten als Verfasser der Evangelien verwiesen und andererseits auf Christus als deren eigentlichen Urheber, als den Vermittler des Gotteswortes. Der Engel (bzw. der Mensch) hingegen hält die Schrift dem Betrachter als geöffnetes Buch entgegen.

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